Überblick über die Geschichte & die Urreligion

Die große Herausforderung bei einer Zusammenfassung der magyarischen Geschichte stellt sich gleich zu Beginn: Wann beginnen? Das Volk der Magyaren entstand aus einem „multikulturellem Gemisch“, das mehrere Völkerwanderungen unternahm und immer wieder mit anderen Völkern assimilierte bzw. kulturelle und sprachliche Gepflogenheiten integrierte. Quellen enthalten daher auch immer Hypothetisches, im Folgenden soll jedoch ein kurzer Abriss über allgemein anerkannte Zusammenhänge gegeben werden.

Die Anfänge

1. Heimat

Asiatische Völker siedelten noch im 6. bis zum 4. Jahrtausend v. Chr. in der Umgebung des Uralgebirges und des Flusses Ob, wohl hauptsächlich an dessen Ostseite. Einzelne Gruppen brachen zwischen 4.000 und 3.000 v. Chr. in östliche und westliche Richtung auf.

2. Heimat

Sie zogen als Reitervolk westwärts durch die südrussische Steppe nördlich des Schwarzen Meeres und ließen sich zwischen den Flüssen Donau und Dnepr in der heutigen südlichen Ukraine nieder. Dabei erziehen die dort lebenden türkischen Stämme die ankommenden Fischer und Jäger zu Reiternomaden. Nach 856 gelingt es Almos, dem Fürsten des Stammes Megyer, die 7 Stämme des Volkes (hetmagyar) zusammen zu fassen. Árpád, der Sohn Álmos‘, wurde anschließend in das Amt des Heerfürsten gewählt.

3. Heimat

Um 888 ziehen sie in die heutige Moldau als ihre dritte Heimat, wo sie ein Fürstentum gründeten. Das Volk dieses Fürstentums war jedoch gemischt: Neben den zwei bulgarischen Völkern, den Onoguren (wovon die Bezeichnung Ungarn abgeleitet ist) und den Kavaren zählten die zahlreichen ugrischen Magyaren zum Bevölkerungsgefüge des Fürstentums.

4. Heimat (Landnahme)

Nach der schweren Niederlage gegen die Petschenegen verließen die Magyaren 893 ihre Gebiete und zogen nach Westen. Sie überquerten mit großen Viehherden die Ostkarpaten und ließen sich zunächst an der oberen Theiß im Karpatenbecken nieder. Dieses Gebiet war bereits von rund 200.000 Awaren, Bulgaren und Slawen besiedelt. Von hier aus brachen die ungarischen Reiter immer wieder zu Plünderungszügen durch ganz Europa auf, die als Ungarneinfälle in die Geschichte eingingen. So überfielen sie unter anderem Gebiete in Bayern, Italien, Frankreich und Spanien.

Nach 901 verschob sich das Zentrum ihres Siedlungsgebietes nach Westen an den Plattensee. Von hier aus eroberten die Magyaren in den nachfolgenden Jahrzehnten Gebiete der Marcha orientalis bis zur Enns (Ostösterreich) und der heutigen Slowakei.

Nachdem die Magyaren 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld von den ostfränkischen und böhmischen Truppen geschlagen worden waren, zogen sie sich aus dem Gebiet des heutigen Österreichs (außer aus dem heutigen Burgenland) zurück und ließen sich im heutigen Westungarn nieder.

Die Geschichte ab der Jahrtausendwende

Allmählich wurde das Nomadenvolk der Magyaren sesshaft. Fürst Géza öffnete das Land für das Christentum (970 – 997). Sein Sohn, der Heilige Stephan I. (Szent Istvan, 997 – 1038), setzt die Christianisierung fort und wird im Jahr 1.000 zum ersten König gewählt. Als Besonderheit sei erwähnt, dass trotz der Sesshaftwerdung und der Umwandlung zu einem sesshaften Volk die Magyaren nichts von ihrem Charakter, ihrer Denkweise und ihrer Eigenständigkeit eingebüßt hat.

Im Hochmittelalter war Ungarn vergleichsweise dicht besiedelt. Durch die mongolischen Eroberungen im 13. Jahrhundert, während der Herrschaft von Béla VI., kam es jedoch zu einem starken Bevölkerungsrückgang.

Mit der Eroberung des Balkans durch die Osmanen (Türken) im 16. Jahrhundert wurde insbesondere das heutige Ungarn teilweise entvölkert. Nach der Niederschlagung der Osmanen wurden die entvölkerten Gebiete von Slowaken, Siedlern aus Österreich sowie zum Teil von Siedlern aus anderen Teilen Europas wiederbevölkert.

Allerdings war der sich daraus bildende Vielvölkerstaat durch innere Spannungen (Selbständigkeitsbestrebungen der nichtmagyarischen Völker, Nationalitätenkonflikte im Zuge der Magyarisierungspolitik) gekennzeichnet. Dies begünstigte die Zerschlagung des heterogenen Königreichs Ungarn 1918 – 1920, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg.

Siedlungsgebiete der Magyaren im Königreich Ungarn (1885)

Die Urreligion der ungarischen Stämme und Auswirkungen auf die Sprache

Einfach zu sagen „vor der Christianisierung waren die Magyaren Heiden“ ist eine etwas zu einfache und sehr christliche Sichtweise. Woran glaubten die Magyaren wirklich und welche Auswirkungen hat dies noch auf die heutige Sprache und Denkweise? Hier wird versucht, kurz eine Zusammenfassung zu diesen Fragen zu liefern.

Die Urreligion

Man muss sich die ugrischen Völker ansehen, in den die magyarischen Stämme eingebettet waren, um herauszufinden, welche Religion und Medizin dort vorherrschte: Gemeinsam war diesen Völkern das Schamanentum: Ein Schamane trat mit verschiedenen Ritualen mit höheren Kräften in Verbindung und konnte sich geistig somit in den Himmel oder unter die Erde begeben. Durch diese mentalen Reise in Verbindung mit dem Glauben an die Wirksamkeit und der Kräuterkunde konnten Krankheiten geheilt werden. Für diese waren Dämonen verantwortlich, die die Natur bevölkerten.

Schamane wurde der, der in einem Trancezustand den Weltenbaum, der bis in den Himmel reicht, erklimmt. Diese Vorstellung spiegelt sich auch in Volksmärchen wieder, in denen der Held verschiedene Prüfungen bestehen muss, um an sein Ziel zu kommen.

Gute und böse Scharmanen konnten mythisch in Form eines weißen bzw. schwarzen Stieres gegeneinander kämpfen. Der gute Stier erbittet aus Furcht vor dem Kampf menschliche Hilfe, die er auch erhält und durch Durchschneiden der Sehnen des Gegners den Kampf auch gewinnt.

Neben diesem dualen Weltbild wird auch angenommen, dass die Magyaren sowohl an eine höhere und hinter allem stehende Kraft glaubten – ung. Isten (Gott) – als auch den Gegenpart: Armany.

Auswirkungen auf die Sprache

Von dieser Sichtweise zeugen verschiedene sprachliche Ausdrücke, die auch heute noch in der ungarischen Sprache verwendet werden:

táltos
(Schamane)
Vom türkischen „talt-“ (in Ohnmacht fallen): Der Schamane erhielt sein Wissen, nachdem er sich in einen Rauschzustand begeben hatte.
tudomány
(Wissenschaft)
Dieses oben genannte okkulte Wissen wurde „tudomány“ genannt. Der heute Ausdruck für „Wissenschaft“ hatte also eigentlich eine okkulte Bedeutung.
Isten
(Gott)
wahrscheinlich von iranisch „Isdan“
Armany [veraltet?]vom iranischen „Ahramanyu/Ahriman“ (lt. Daniel Cornides)
ördög
(Teufel)
In der Urreligion auf der dunklen Seite stehende Gottheit.
manó
(Kobold)
Wesen, das Isten kämpfend gegenübersteht.

Mythologisierung der Herrscher

Die Vorstellungen des polaren Weltbilds spiegelt sich im Erscheinungsbild der weltlichen Herrscher wieder, die die Repräsentanten Gottes darstellten und für das Glück des Volkes verantwortlich waren: Symbolik und Zeremonien sind auch in der späteren Geschichte Ungarns verankert, alle Könige erhielten mythische Züge.

So kaufte Árpád Pannonien mit 3 symbolischen Gaben: ein weißes Pferd, einen vergoldeten Sattel und ein goldener Halfter, während 3x der Name der Gottheit ausgerufen wurde.

Vorstellungen wie diese überdauerten auch die Christianisierung und waren noch bis ins 13. Jahrhundert zu finden.

Im Zuge der Mythologisierung der Herrscher stellt sich die Frage nach den Mythen der Magyaren im Allgemeinen:

Mythologie

Der Ursprung der Dynastien von Häuptlingen, unter denen die Ungarn den Donauraum eroberten und sich am Ende des 9. Jahrhunderts festsetzten, wird im Mythos wie folgt erzählt:

Die Häuptlingstochter Emesu (aus ung. „Sau“) hat im Jahr 819 einen Traum, in dem sie einen Vogel namens „Turul“, der Ähnlichkeit mit einem Adler oder Falken hat, auf sich zufliegen sieht. Dieser befruchtet sie, worauf sich aus ihrem Schoß ein Feuerstrom ergießt. Ein Knabe mit dem Namen Álmus („der aus dem Traum geborene“) wird geboren.

Doch woher stammten seine Eltern, wie weit lässt sich die sagenhafte Familienlinie zurückverfolgen?

Die Mutter von Álmos war die Frau des Ungarnfürsten Ugek (ung. „Ügyek“, etym. vermutlich „Ahn, Ahnchen“) gewesen, der wiederum aus dem Blute des Urkönigs Magor (Magyar) abstammte. Die Geschichte dieses Urkönigs ist im Mythos von der wundersamen Hindin (ung. „Csodaszarvas“ = Wunderhirsch) dargestellt: Das Brüderpaar Hunor und Magor geht auf die Jagd, wo es in der Steppe auf einen Wunderhirsch trifft. Die Hindin flieht vor ihm (wie im uralischen Mythos) und führt sie im Laufe der Verfolgung in fruchtbares Land, wo sie das Tier aus den Augen verlieren. Sie ziehen bald darauf mit ihrer Gefolgschaft in dieses vielversprechende Land. Sechs Jahre später werden sie durch Gesang und Musik erneut auf die Steppe hinausgelockt. Sie finden die Töchter des Königs Dul(a) und die Frauen der Söhne des Königs Bereka vor, die sie dann rauben und mit ihnen die Ahnen des hunnischen und des ungarischen Volkes zeugen. Moger wird der Stammvater der Ungarn.

Diese Ursprungssage deutet auf die Verwandtschaft mit den Iranern und Turkvölkern. Schaut man sich an, was für einer Familie diese beiden späteren Stammfürsten entstammen, wird man sogleich in die Mythenwelt versetzt. Denn der Vater der beiden ist der in Vielweiberei lebende Riese Menroth (ung. „men“ = Hengst) und ihre Mutter die Eene („ünö“ = Hindin). Ihre Verbindung zeigt eine Konstellation an, wie sie auch bei der Häuptlingstochter Emesu in der traumhaften Vereinigung mit dem Falken (Turul) vorhanden ist, dass außerhalb des eigenen Geschlechts geheiratet wird.

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Magyaren
[2] http://www.bukta.de/susanne/ungarn/urungarn.html
[3] http://www.bukta.de/susanne/ungarn/urungarn.html