Einteilung und Geschichte der ungarischen Sprache

Das Ungarische gehört der uralischen Sprachfamilie an. Diese umfasst etwa 30 Sprachen und wird von rund 25 Mio. Menschen gesprochen. Sie erstreckt sich über weite Teile des nördlichen Eurasiens von Skandinavien bis über den Ural auf die Taimyr-Halbinsel.

Das Ungarische ist ein nach Westen versprengter Ausläufer dieser Familie und gehört dem Ugrischen Teil des Finno-Ugrischen Zweigs dieser Sprachen an. Das Samojedische (heute in riesigen dünn besiedelten Gebieten Nordsibiriens gesprochen) und Finno-Ugrische teilten sich etwa um 5.000 v. Chr.; der ugrische Zweig spaltete sich ca. 3.000 v. Chr. vom finno-ugrischen Teil ab. 2.000 v. Chr. wurde anschließend Ungarisch ein eigener Teil der vormals ugrischen Grundsprache. Ugrische Schwesternsprachen des Ungarischen, so genannte ob-ugrische Sprachen, teilten sich in Chantisch und Mansisch, die heute beide zu den gefährdeten Sprachen zählen.[1]

Das Ungarische hat sich sowohl geographisch als auch sprachlich sehr vom verwandten Sprachen entfernt. Dazu trugen nicht nur die intensiven Kontakte mit türkischen Stämmen vom 5. bis zum 8. Jahrhundert n. Chr. bei, sondern auch die Landnahme, bei der höchstwahrscheinlich die lokale, slawische Bevölkerung assimiliert wurde. Der sprachliche Abstand zwischen Finnisch und Ungarisch kann mit dem zwischen Deutsch und Russisch verglichen werden, die Unterschiede zwischen einzelnen finno-ugrischen und samojedischen Sprachen sind noch erheblich größer.

Einteilung der uralischen Sprachfamilie

  • Uralisch (31 Sprachen, davon 4 †, insgesamt 24 Mio. Sprecher)
    • Finno-Ugrisch (25 Sprachen, 2 †, 24 Mio. Sprecher)
      • Finno-Permisch
        • Ostseefinnisch (7 Sprachen, z. B. Finnisch; 7,2 Mio. Sprecher)
        • Samisch (11 Sprachen, 2 †, 23.000 Sprecher)
        • Mordwinisch (1,1 Mio. Sprecher)
        • Mari (600.000 Sprecher)
        • Permisch, Komi (1,0 Mio. Sprecher)
      • Ugrisch
        • Ob-Ugrisch (17.000 Sprecher)
          • Chantische Sprache (früher Ostjakisch, 14.000 Sprecher)
          • Mansische Sprache (früher Wogulisch, 3.000 Sprecher)
        • Westugrisch
          • Ungarisch (Magyarisch) (14,5 Mio. Sprecher)
    • Samojedisch (6 Sprachen, davon 2 †, 30.000 Sprecher)
      • Nordsamojedisch (3 Sprachen, 28.000 Sprecher)
      • Südsamojedisch (3 Sprachen, davon 2 †, 2.000 Sprecher)

Perioden in der ungarischen Sprachgeschichte

Zunächst nochmals die Perioden der Sprachverwandtschaften:

  • Periode der uralischen Grundsprache (bis 5.000 v. Chr.)
  • Periode der finno-ugrischen Grundsprache (von 5.000 v. Chr. bis 3.000 v. Chr.)
  • Periode der ugrischen Grundsprache (von 3.000 v. Chr. bis 2.000 v. Chr.)
    (Andere Quellen geben die Jahreszahlen um ca. 1 Jhdt. nach hinten verschoben an.)

Periode der urungarischen Sprache

Diese begann mit der Abspaltung von der ugrischen Grundsprache und endete 896 n. Chr., als die Ungarn das Karpatenbecken besiedelten und in den christlichen Kulturkreis eingegliedert wurden. Es gibt keine Sprachdenkmäler aus dieser Zeit; vorherrschend waren lokale Dialekte. Kontakte zu türkischen Stämmen prägten die Sprachentwicklung.

Die altungarische Periode

Dauert von der Landnahme im Karpatenbecken bis zur Schlacht von Mohács 1526, also als das Osmanische Reich die Ungarn besiegte. Eingeteilt wird diese Periode wiederum in die „frühe altungarische Periode“, die bis 1350 dauerte und in der sich eine erste Schriftlichkeit entwickelte. Die Periode nach 1350 („Periode der Kodizes“) brachte erste Bücher hervor. Vor allem aufgrund der lateinischen Sprache fand eine gewisse Vereinheitlichung in der Phraseologie, bei syntaktischen Erscheinungen und stilistischen Formen statt.

Die mittelungarische Periode

So wird die Zeit von 1526 bis 1772, bis die Aufklärung in der ungarischen Literatur angekommen ist, bezeichnet. Diese Zeit führte zu einer Vereinheitlichung der Sprache, vor allem durch Umschwünge im gesellschaftlichen und politischen Leben, aber auch aufgrund der Erfindung des Buchdrucks. Der Charakter der ungarischen Sprache hat sich bis zum Ende dieser Periode herausgebildet.

Die neuungarische Zeit Als „neuungarische Zeit“ wird die Periode ab 1772 bis heute bezeichnet. Dabei gliedert sich diese Periode in zwei Abschnitte: Bis 1920 (Trianon) führte die Aufklärung zu einer wesentlichen Ausweitung des Wortschatzes und zu einer Erneuerung des Stils. Im 20. Jhdt. begann der Einfluss der gesprochenen Sprache auf die Literatursprache und Umgangssprachen erstarken; das bedeutet, dass sich das im Ausland gesprochene Ungarisch von der im eigenen Land gesprochenen Sprache entfernt.

Kiss, Kathalin: The Evolution Of Functional Left Peripheries in Hungarian Syntax; Oxford Press; 2014; S. 1 ff.
http://de.wikipedia.org/wiki/Uralische_Sprachen [05.06.2017]
http://homepages.fh-giessen.de/kausen/wordtexte/Uralisch.doc [05.06.2017]
Dörrbecker, Maximilian; Bayraktarlı, İhsan Yılmaz; https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14934257 [05.06.2017]
Mátai, Mária D.; Kleine ungarische Sprachgeschichte; Helmut Buske Verlag; Hamburg 2002; S. 62 ff.